Studierende kämpfen für ihre Uni!
Laut, Links, Rebellisch – Die Uni Bremen ist geprägt von ihren Studierende. Sie haben ihre Uni gestaltet, demonstriert und Antworten weit über den Uni-Kontext hinaus gegeben. Dieser Teil der Ausstellung zeigt, wie die Studierende sich in den letzten 50 Jahren für ihre Uni und den Campus einsetzten.
Auf zur Reformuni
Los geht es in den 1970er Jahren. Die Universität Bremen wurde 1971 als Reformuniversität gegründet – Scherzhaft wurde sie auch als „Marx & Moritz Universität“ (letzterer nach Wissenschaftssenator Moritz Thape) bezeichnet. Denn von Anfang an galt die Bremer Uni als rote Kaderschmiede. Sie sollte eine Uni für die Arbeiter:innenklasse sein, die vieles anders macht als andere (traditionelle) Universitätsstädte. Bei der ersten Wahl zum Studierendenrat traten sozialistische und kommunistische Gruppen an. Fortan prägten v. a. linke Gruppen die Bremer Hochschulpolitik. Insbesondere den Konservativen war das von Anfang an ein Dorn im Auge. Sahen Sie doch in der neuen Universität eine Hochschule voller Verfassungsfeinde. Die damals mit regierende FDP verließ deshalb vorsorglich vor der Eröffnung die Koalition mit der SPD.
Für die Studierenden bot die neuen Universität viele Einflussmöglichkeiten. Herzstück war die neue Drittelparität. Das bedeutet, dass die universitären Gremien jeweils zu einem Drittel aus Professor:innen, Studierenden und Mitarbeiter:innen bestehen sollte. Dadurch haben alle Statusgruppen der Universität gleich viel Einfluss. Eine echte Besonderheit in Deutschland. Aber auch in anderen Bereichen lief von Anfang an vieles anders. Das Rektorat hebt anlässlich des 50. Jubiläums Interdisziplinarität und die (Berufs-)Praxisorientierung besonders gerne hervor. Allerdings waren auch das selbstständige Lernen in Projekten und das Bewusstsein der Verantwortung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft eines der zentralsten Punkte des Reformuni-Konzeptes. Diese besondere Form der Lehre wird als Projektstudium bezeichnet. Die Universität sah sich darüber hinaus als ein Ort, der insbesondere Kindern aus Arbeiter:innenfamilien die Möglichkeiten der besten Bildung geben sollte.
Mit der Gründung der Uni begannen auch die Proteste der Studierenden. Es ging gegen schlechte Studienbedingungen, gegen eine zunehmende Ökonomisierung und gegen Hochschulreformen, die in den Augen vieler Studierenden oft nur dem Kapital dienten. So kam es bereits kurz nach der Gründung der Uni zu Demonstrationen gegen die Prüfungsordnung für Lehramststudierende von Wissenschaftssenator Moritz Thape. Diese sah aus Sicht der Studierenden einen stärkeren staatlichen Eingriff auf die Lehrinhalte und die Nicht-Zulassung für Prüfungen aus politischen Gründen vor. Mit viel Text und wenig Bild trifft der SHB eine Einschätzung der Lage:
1976 wurde das erste Hochschulrahmengesetz in Deutschland beschlossen. Es war das erste länderübergreifende Hochschulgesetz und regelte die Hochschullandschaft in ihren Grundzügen. Die genauere Ausgestaltung des Hochschulrechtes war die Aufgabe der Länder. An den Plänen der Bundesregierung hagelte es Kritik und die Studierenden mobilisierten gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Gruppen zum Protest. Denn das Gesetz sah unter anderem die Abschaffung der Drittelparität, Untersagung des allgemeinen politischen Mandates und Regelstudienzeiten vor.
Quelle: Marxistischer Studentenbund Spartakus (1974) Quelle: Marxistischer Studentenbund Spartakus (1974)
Zehntausende Studierende fuhren zur einer großen Demonstration nach Bonn. Es sollen auch aus konservativen Uni-Städten Studierende mobilisiert worden sein. Das Hochschulrahmengesetz zwingt auch die Bremer Politik zur Reaktion. Der Senat muss ein Bremer Hochschulgesetz vorlegen. Dieses sieht insbesondere die Abschaffung der Drittelparität vor, die bereits 1973 vom BverfG grundgesetzwidrig erklärt wurde. Der Bremer Staatsgerichtshof bestätigte dieses Urteil 1978.
Quelle: AStA der Universität Bremen (1976) Quelle: AStA der Universität Bremen (1976)
Die Studierende ließen sich das nicht gefallen – denn in ihren Augen zerstörte das neue BremenHG das Bremer Modell. Es kam zu Protesten und Streiks – gebracht hat es nichts. Die Drittelparität wurde tatsächlich abgeschafft.
Doch der Streik um die Hochschulgesetze war damit noch lange nicht beigelegt. Denn bei vielen geplanten Reformen rebellierten die Studierende – in Bremen und bundesweit. Regelmäßig wurden durch eine Vollversammlung Streiks ausgerufen. 1993 demonstrierten nach der Ausrufung eines solchen Streiks 2.600 Studierende in Bremen gegen eine geplante Hochschulreform, die u. a. Studiengebühren rechtlich vorbereiten sollte. Diese waren rechtlich durch das Hochschulrahmengesetz ausgeschlossen und wurden erst 2002 durch mehrere Gerichtsverfahren ermöglicht.
Ohne Streit geht nichts!
Die Studierenden waren natürlich nicht immer solidarisch miteinander. Die Uni Bremen kennt als „rote Kaderschmiede“ überwiegend linke Hochschulgruppen. Das führte allerdings nicht zu Einigkeit: Stattdessen kam es zwischen den unterschiedlichen Listen regelmäßig zu erheblichen Differenzen. Klagen, Streitereien und Auseinandersetzungen prägten den Studierendenrat seit seiner Gründung. Immer wieder wurde beispielsweise gegen Wahlen geklagt. 1993 hatten die oppositionellen Wahlverlierer:innen und Mitglieder des ehemaligen Frauen-AStA geklagt, da sie bei der Durchführung der Wahl Fehler vermuteten – es habe Unregelmäßigkeiten bei den Briefwahlstimmen gegeben. Die Klage wurde jedoch abgelehnt. Bereits in den Jahren davor hatten viele Listen gegen die Durchführung der SR-Wahlen Beschwerde eingelegt.
In den 1980er Jahre kam der AStA in finanzielle Probleme – 150.000DM Schulden. Somit war der AStA beinahe pleite und drohte handlungsunfähig zu werden. Damit wäre die studentische Vertretung nicht mehr aktiv gewesen. Es übernahm nach einem langen Streit im SR eine neue AStA-Koalition aus Tu-Was-Liste, AStA für Alle und den Jusos-Hochschulgruppen. Diese setzte ein drastisches Sparprogramm durch. Beide Seiten kritisierten sich in der Debatte scharf. Der AStA stellt den Streit satirisch aus seiner Sicht da:
Quelle: Treibsand – Zeitung des AStA der Uni Bremen (1988)
Auch in den 1990er Jahren kam es wieder zu Streitereien ums Geld. Dem AStA wurde vorgeworfen, dass er zwischen 1991 und 1993 massiv Gelder veruntreut haben soll. So fehlten Verträge für die Renovierungskosten, oder Rechnungen bei Büromaterial, Veranstaltungen oder Reisekosten.
Die Studierenden – sichtbar auf dem Campus
Trotz der vielen Differenzen gestalteten die Studierenden ihre Universität mit. Bis heute prägt ihre Arbeit das Leben auf dem Campus. Überall finden sich die Spuren des studentischen Schaffens – egal Fahrradwerkstatt, GW3 oder die Glashalle. Die Studierenden kämpfen für ihre Universität und gestalten ihren Campus. Darüber hinaus wurde gegen Entwicklungen auf dem Uni-Gelände protestiert. Es wurde gestreikt und boykottiert. So geschehen 1982, aufgrund der gestiegenen Preise in der Mensa.
Quelle: unbekannt
Eines der bekanntesten Beispiele der studentischen Aktivitäten ist das Semesterticket. In den frühen 1990er Jahren verhandelten die Studierenden mit dem VBN und erreichten das erste Semesterticket. 70DM für Bremen und umzu. In einer Urabstimmung stimmten 79% für die Einführung. Bis heute hat sich das Semesterticket erweitert und gilt inzwischen in ganz Bremen und Niedersachsen.
Sparen, Sparen, Sparen – zu lange das Motto der Bremer Politik
Die Universitäten sahen sich in den vergangenen Jahrzehnten einer zunehmenden Ökonomisierung und Leistungsdrucks aus. Immer weitere Sparmaßnahmen zwangen die Hochschulen zu Kürzungen und die wachsenden Anforderungen trafen nicht zuletzt die Studierenden und erforderten ihre Reaktion. Die Debatte um Kürzungen ist so alt wie die Uni selbst und dauern bis in die Gegenwart an. Schon 1979 sollten Stellen gestrichen werden – kein einmaliger Vorgang. Denn die Gelder wurden immer knapper, das untenstehende Bild beklagt diesen Umstand satirisch:
Quelle: Frauenprojekt Universität Bremen (1980) Quelle: Frauenprojekt Universität Bremen (1980)
Kritisiert wird, dass die Bremer Uni 30 Mio DM einsparen muss. Gleichzeitig hätte de Großindustrie – ohne Arbeitsplätze zu sichern – 620mio DM erhalten. Die Probleme werden derweil immer sichtbarer, nicht zuletzt bei den Lehrräumen, der technischen Ausstattung und an den Mitarbeiter:innenzahlen.
Der Wissenschaftsplan 2010 sah zwischenzeitlich die Streichung von jeder vierten Professur und die Reduzierung der Kosten von 100mio € vor. Nach Protesten aus den Universitäten wurden diese Kürzungen zum Teil abgewendet. Trotzdem wurde 2007 beschlossen, dass sich die Universität Bremen von 108 Mitarbeiter:innen trennen muss – Kürzungen von 20 mio€ wurden beschlossen. Die genannten Kürzungen sind bei weitem keine Einzelfälle. In den letzten Jahrzehnten gab es immer weniger Geld – trotz einer wachsenden Anzahl an Studierenden und höherer Anforderungen an die Universitäten.
Immer wieder fielen Studiengänge weg. Beispielsweise lässt sich Sport und vieles mehr nicht mehr studieren. Durch die Erhöhung der Verwaltungsgebühren stieg der Semesterbeitrag 2014 erstmalig auf über 300€. Gleichzeitig gab es v. a. von den Studierenden regelmäßig die Kritik, dass das Land Bremen die private Jacobs-Uni finanziell unterstützt, während die öffentlichen Hochschulen sparen müssen. Seit den frühen 2000er Jahren wurden zudem Studiengebühren vermehrt diskutiert und lösten direkt Proteste unter den Studierenden aus. Ihr wollt mehr über Studiengebühren und die Studienkosten erfahren? Dann klickt einfach hier:
Studieren muss man sich leisten können
Erst der Wissenschaftsplan 2025 sollte zur Entlastung für die Bremer Hochschulen führen. Schrittweise wären die Gelder hochgefahren worden um Mitarbeiter:innen einzustellen, die Anzahl der Studienplätze zu erhöhen und die Qualität der Lehre zu stärken. Durch die Corona-Krise sollten diese zusätzlichen Mittel plötzlich gestrichen werden. Es kam zu den letzten großen Protesten um die Finanzierung der Hochschulen. Die Kürzungen konnten dadurch zwar halbwegs abwendet werden, trotzdem wird der Wissenschaftsplan 2025 nicht ganz ausfinanziert. Vielen Studierenden und anderen gesellschaftlichen Akteur:innen ist das nicht genug! Die Kämpfe dauern also an.
Was bleibt von der roten Kaderschmiede?
Vieles, was Studierenden einst heilig war, fiel weg weg. Das Bremer Modell ging in den vergangenen 50 Jahren immer weiter verloren – nicht zuletzt die einst so wichtige Drittelparität. Damit läuft in Bremen vieles so wie an anderen Unis. All das hatte natürlich auch eine Öffnung der Wirtschaft zur Folge.
Trotzdem ticken die Uhren an der Bremer Universität doch noch ein wenig anders und der Charme der roten Kaderschmiede ging noch nicht ganz verloren. 50 Jahre Uni heißt auch 50 Jahre studentische Hochschulpolitik. Die Uni wäre ohne ihre engagierten Studierenden nicht der gleiche Ort. Sie sind präsent auf den Campus, mischen in der Hochschulpolitik mit und sind eine Stimme im politischen Geschehen in Bremen. Die Studierenden kämpfen – wenngleich nicht mehr in einer so großen Zahl – weiterhin für ihre Uni und ihr Studium.